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Sakdina – Thailand und die Hierarchie

Unverblümt fragt mich doch die Thailänderin bei unserem ersten Treffen – „wieviel verdienst Du ?“
Der Dorfpolizist in Sap Yai, einem kleinen Dorf im Isaan, der mich regelmäßig wenn er mich sieht, freundlich anhält um seine sehr bescheidenen englisch Kenntnisse zu erweitern fragt ungläubig: „Du hast sicherlich viel Land in Deutschland und dazu noch viel Geld!? Du bist schon das dritte Mal in diesem Jahr bei uns!“ Diese Frage ist typisch für Sakdina, dem thailändischen Hierarchiesystem.
Wir als Europäer reagieren auf die direkte Frage nach unserem Wohlstand und unseren finanziellen Mitteln hier in Thailand oft irritiert! Ist doch dies eine Fragestellung die in DACH nur unseren besten Freunden oder dem Finanzamt vorbehalten bleibt! Wobei zweites nicht unbedingt zu meinen Freunden zu zählen ist ! 🙂 Doch wie kommt es zu diesem Verhalten der Thailänder? Ich will versuchen dies hier zu klären!

Die Ausdrucksformen der Sakdina – der Hierarchie zur heutigen Zeit

Wer sich in Thailand aufhält, sei es als Tourist oder als sesshafter Ausländer wird schnell mit der thailändischen Hierarchie, also mit der Sakdina, in Berührung kommen! Gewollt oder ungewollt! Es beginnt schon bei der Ankunft am Flughafen – die Mitarbeiter am Flughafen lächeln alle den Ankommenden zu. Eine Ausnahme bilden hier die Beamten der Immigration! Sie lächeln nur äußerst selten und das Scherzen mit ihnen, ist eher als kontraproduktiv einzuschätzen.

Der Autor mit dem Buch über seine Majestät König Bhumbol Adulyadej mit dem Titel
"The King Never Smiles"
Der Autor des Blogs mit dem Buch – „The King Never Smiles“ das leider nur in englisch erhältlich ist

Ja, selbst das Lächeln ist an die Hierarchie in Thailand gebunden. Seine verstorbene und hochverehrte Majestät König Bhumibol Adulyadej (Rama IX.) ist auf den Bildern und Fotografien äußerst selten lächelnd zu sehen und auch der jetzige König, König Maha Vajiralongkorn (Rama X.) folgt den Vorfahren und lächelt selten. Die Könige, als höchste Instanz in Thailand, sind die einzigen, die nicht der sozialen Pflicht zu lächeln und auch nicht der Sakdina unterliegen.

Die Erklärung zum „land of smile“

Das Lächeln ist streng mit der thailändischen Hierarchie verbunden, wie wir im vorherigen Absatz erfahren haben. So ist es auch zu erklären, das wir Europäer oftmals das Lächeln falsch interpretieren. Von den Thailändern vermutlich höher gestellte Persönlichkeiten werden durch das Lächeln vorsorglich wohlwollend gestimmt. Auf der anderen Seite wird das Lächeln gegenüber Untergebenen oder in der Hierarchie tiefer angesiedelten Personen nur sehr sparsam verwendet. Dies ist auch die Erklärung warum Mönche auf Fotografien nie lächeln, denn sie stehen mit ihrem Wissen und den Handlungen als Stellvertreter Buddhas über den normalen Menschen.
Selbst der für Thailand berühmte Wai, also die Handhaltung bei der Begrüßung ist in dem Sakdina-System vertreten. Es gibt ein komplexes System wer wen grüßt und wie hoch dabei die Handhaltung zu sein hat. Da die Thailänder ein freundliches Volk sind, wird es den Ausländern nicht übelgenommen, wenn sie sich dabei etwas blamieren um etwa die Busschaffnerin in Bangkok mit Wai begrüßen! 🙂

Der Wai ist auch ein Zeichen des allgegenwärtigen Sakdina-Systems in Thailand
Auch der Wai ist ein Ritual der nach dem Sakdina-System ausgeführt wird (Bildquelle Pixabay)

Auch Dinge symbolisieren die Sakdina – die thailändische Hierarchie

Alles hat in Thailand seinen Stand in der Hierarchie! So ist das Wellblechdach in früherer Zeit das Zeichen für einen höheren finanziellen Status gewesen, heute sind dies eher die blauen Dachziegel die von einem gewissen Wohlstand zeugen. Selbst die Beine der Betten drücken durch die Anzahl der Krallen an den stilisierten Löwentatzen den Status des Schlafenden aus. Drei, Fünf oder Sieben Krallen weisen auf die aufsteigende Zuordnung hin. Also sind auch die Möbel immer noch ein Abbild des sozialen Ranges.
Viele der Thailänder lieben es, ihre transportablen Statuskennzeichen wie die dicke Ledergeldbörse oder teure und immer die modernsten Handys zu zeigen und ihren Freunden und noch mehr den Freundinnen zu präsentieren. Dabei muß man sich, auch mangels finanzieller Mittel, auch mit Nachahmungen der teuersten Markenartikel zufrieden geben. Dieses Vorspielen von Reichtum wird auch als „Gesicht machen“ bezeichnet. Dadurch ist auch der sehr hohe Anteil an gefälschten Markenartikel zu erklären, denn die wenigsten Thailänderinnen und gerade die oft ärmere Landbevölkerung, können sich echte Louis Vuitton Taschen, Prada Mode oder Cartier Uhren erlauben.

Mehr darstellen als sein - Thailänderin mit edeler Handtasche ein Sinnbild der Sakdina in Thailand
Status zeigen ist alles…

Die soziale Hierarchie in Thailand – wie sie entstand

In der Zeit, die im europäischen Raum als Mittelalter bezeichnet wird, finden wir im früheren Siam eine feudalistisch geprägt Gesellschaftsordnung vor. Betrachten wir das Wort feudalistisch näher so finden wir das Wort feudum (Lehen) darin vor. Dringen wir weiter darin ein, ist dies die Beschreibung für Grundbesitz der von einem König, Fürsten o. Ä. an einen Untergebenen mit der Verpflichtung verliehen wird, dass er dem Lehnsherrn mit persönlichen Leistungen zur Verfügung steht. Diese Definition ist also die Grundlage des Sakdina.
Sakdina ist noch heute in Thailand gültig, wenn auch offiziell abgeschafft, und spiegelt sich noch immer in vielem wieder!
Begonnen hat das Sakdina-System in der Ayutthaya-Periode in Siam 1351 bis 1767 n. Chr. Bevölkerungsmäßig geht man von zirka 1.000.000 bis 2.000.000 Bewohnern aus. Als oberste Instanz stand der König. In dieser pyramidenförmigen Einteilung der Bevölkerung in Stände wurde jede Standesordnung durch die Anzahl der Landfläche in Rai, dem Flächenmaß 1 Rai entspricht von 1600 Quadratmeter ausgedrückt.
Man unterscheidet das Sakdina-System in zwei unterschiedliche Gruppen! Das erste ist mit der Übersetzung als Sakdina-Produktionssystem zu bezeichnen und bezieht sich auf den Besitz von Land.
Das Zweite ist für den „Besitz“ von Menschen und Arbeitskraft zu betiteln und ähnelt dem Sklaventum.
Halten wir also folgende Aufteilung einmal fest:

  • Phrai – Landwirtschaftliche Sklaven oder Diener
  • Thay – Freie Männer die kein eigenes Land besitzen aber die Land vom „Großgrundbesitzer“ mieten müssen.
  • Freie Bauern – Kleinbauern die kein Land mieten müssen jedoch Steuern and die höheren Sakdina-Klassen zahlen müssen.
  • Jao – Die kleineren Grundbesitzer z. B. die Aristokratie die kleinere Landflächen und Phrai besitzen, sie kann man als die spätere Mittelklasse bezeichnen.

Die Rolle der Thailänderin im Sakdina-System

Das Sakdina-System unterstrich das Patriachat und Frauen wurden in der damaligen Zeit als Objekt der Begierde der höheren Sakdina-Klasse angesehen. Kinder waren demzufolge nichts weiter als ein Mittel zu der Vergrößerung des Einflusses durch Erweiterung der Familienlinie angesehen worden. Oder die Kinder galten als entbehrliche Produkte des höchsten Gesellschaft.
So ist es nicht verwunderlich, dass diesem Kreis auch der Zugang zur Kunst, Literatur und Bildung nur den höheren Sakdina-Klassen zugänglich war.

Die Bevölkerungsstruktur des damaligen Siams

Man findet Beschreibungen, das es eine verhältnismäßige Aufteilung von zirka 2.000 Ammat (Mitglieder des königlichen Haushaltes), ungefähr 200.000 Munnia (Herren) und 800.000 Phrai welche nochmals in drei Klassen unterteilt wurden. Der restliche Anteil der Bevölkerung waren Sklaven.
Die Schicht der Phrai war die unterste Schicht der freien Männer jedoch mußte jeder Phrai zwischen 18 und 60 Jahren sich einem Munnai anschließen. Diese wurden dann zur Kennzeichnung tätowiert und damit die Zugehörigkeit zu dem Munnia bestätigt. Ließ sich der Phrai nicht tätowieren, konnte er gefangengenommen werden und mußte für den König die schwersten Arbeiten verrichten!
In einer überlieferten Gesetzesschrift, dem so genannten „Drei Siegel Gesetz“ werden für einen Maha Uparat ein Sakdina-Wert von 100.000 festgeschrieben, 10.000 für den Chao Phraya Chakri, 600 für gelehrte buddhistische Mönche, 20 für Bürger und 5 für Sklaven vor. Ob aber ein wirklicher Zusammenhang mit der Größe der Landfläche besteht ist bis heute von Wissenschaftlern stark umstritten.
Dieses System der Sklaverei wurde erst während der Regierungszeit von König Chulalongkorn (Rama V.) abgeschafft. Doch in der fest verwurzelten Kultur der Thailänder spielt die Sakdina noch heute eine Rolle.

Doch das heutige Thailand verändert sich…

Wie überall in der Welt gibt es Veränderungen so auch in Thailand! Viele junge Thailänderinnen und Thailänder fühlen sich nicht mehr an das Sakdina System gebunden und beschäftigen sich auch öffentlich mit der Sakdina. So habe ich eine Studien-Abschlußarbeit im Internet entdeckt die interessante Ansatzpunkte für Veränderungen aufzeigt. Ich habe mich bemüht diese Arbeit die in Thailändisch geschrieben wurde in Auszügen zusammen zufassen und ins deutsche zu übertragen. Das Original als Quelle findet Ihr hier:

ระบบศักดินากับการบริหารราชการ
Sakdina System and the Administration
(scheinbar nicht mehr zugänglich!)

Der Autor Winai Chuanprapan konzentriert sich auf die Untersuchung der Geschichte des Feudalsystems in Thailand im Hinblick auf seine Geschichte und Entwicklung in jeder Epoche seit seiner Entstehung. Ebenso wie sich die Anwendung des Feudalsystems auf Gesetze und die soziale Gerechtigkeit auswirkt. Das Feudalsystem hat noch heute großen Einfluss auf die Regierungsverwaltung in Thailand. Zum Beispiel hinsichtlich des Führungsverhaltens. Thailändische Beamte verhalten sich oft wie Herrscher des Volkes. Im öffentlichen Dienst gibt es ein Patronagesystem.
(Zitat Wikipedia:
„Patronage ist die gezielte Förderung von Menschen durch Personen mit entsprechenden wirtschaftlichen oder politischen Möglichkeiten. Solche Förderer werden in diesem Zusammenhang als Patron bezeichnet, die davon profitierende Person als Klient.“)

Eine kleine Zusammenfassung des Themas Sakdina

Wir wir erfahren habe hängt in Thailand alles und jedes zusammen. In der Kultur Siams und Thailands spielen immer das Königshaus, der Buddhismus und die Historie eine, jedenfalls bis heute, untrennbare Rolle. So lassen sich aber viele Dinge und Verhaltensweisen durch sorgfältige Recherche und einen offenen Willen neues zu erkunden besser verstehen und Erklären. Dadurch erschließt sich dieses fantastische Land dem interessierten Touristen immer mehr!

weitere interessante Kulturthemen findet Ihr hier:

Yaksha – die Hüter der verborgenen Schätze – Sie sind so häufig zu sehen und viele kennen nicht die Bedeutung.

Mama-san im thailändischen Rotlicht-Milieu – auch das ist Thailand

Thailand und die Thailänderin – eine Ware?

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7 Kommentare zu “Sakdina – Thailand und die Hierarchie

  1. Thomas Mohr

    Ich bedanke mich für diesen tiefschürfenden, informativen Artikel, der von guter Recherche und Respekt gegenüber unseren Gastgebern zeugt.

  2. Bernt

    Hi.
    Wenn ich noch eine Frage stellen darf?
    Welche Stellung hat in diesem System der Farang?
    Er bewegt sich ja (auch, weil es es vielleicht nicht anders weiß) außerhalb dieses Systems.
    Es geht mir jetzt nicht um das Thema „Majetätsbeleidigung“, sondern um den alltäglichen Umgang, auch z.B. mit Beamten.
    Ist es geboten sich anzupassen (Höflich sollte man natürlich immer sein), oder fällt er als „Gast“ aus diesem System raus?
    Lg
    Bernt

    1. Reiner Kerner Autor des Beitrags

      Hallo Bernt,
      Vielen Dank für die Frage die ich sehr gerne beantworte!
      Ich gehe mal es von der anderen Seite an: was glaubst Du was der Beamte denkt?
      Nach all meinen Erfahrungen ist die Unsicherheit auf beiden Seiten! Viele Beamte haben nach Ihrer Meinung nach schon viele schlechte Erfahrungen gemacht und reagieren dann sagen wir, uncool!
      Als Beispiel in der Imigration: der Farang vor mir, barfußschlappen kurze Hosen, armloses sagen wir schlampiges shirt und kurze Hose! Stimme ehr laut, durfte ohne Visaverlängerung wieder in die Stadt fahren (35 Km), weil er eine Kopie vergessen hatte! Ich hatte leider auch eine Kopie zuwenig! Der Beamte machte mich darauf aufmerksam und sagte kein Problem ich mache diese schnell hier im office! Ich trage bei offiziellen Anlässen stets lange, saubere Hose. Helles kurzarm Hemd natürlich Socken und Halbschuhe.
      Viele der Thailänder versuchen Dich in die Hierarchie einzuordnen und sind daher eher überfreundlich, das gilt aber auch untereinander bei den Thais. Lieber etwas freundlicher sein dann fühlen sich die Thailänder auch geschmeichelt!
      Selbstverständlich kannst Du jederzeit mir weitere Fragen stellen und ich hoffe Dir ein genügende Antwort gegebe zu haben!
      LG Reiner

    2. Norbert

      Hallo Bernt,
      welchen Farang meinst du denn? Den Sextouristen, den reichen Urlauber in der luxus Hotelanlage, der Auswanderer oder der Rentner der in Thailand seinen Lebensabend genießt?
      Welche Stellung du in Thailand genießt hängt von dir selbst ab!
      Wie Reiner schon so richtig geschrieben hat: „Beispiel in der Imigration: der Farang vor mir, barfußschlappen kurze Hosen etc.“ Irgendwie respektlos.
      Respekt vor der thailändischen Kutur, dem thailändischen Leben, der Religion und dem Aberglauben ……

      Wenn du in Thailand bist mach es wie die Thailänder und du wirst merken wie man dir auch als Farang mit Respekt und Hochachtung begegnet!

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