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Was ist eigentlich – Restitution?
Unter dem Begriff „Restitution“ versteht sich umgangssprachlich und bildungssprachlich der Begriff „Wiederherstellung“. Eine weitere Definition erfolgt im Völkerrecht: „Wiedergutmachung oder Schadensersatz für einen Schaden, der einem Staat von einem anderen Volk oder Staat im Bereich Kunst- und Kulturgüter zugefügt wurde“
Seit wann gibt es die Diskussion um eine Restitution?
Seit Jahren ist diese Restitution ein Thema in der Öffendlichkeit im Bezug auf das neue Humboldt-Forum, dem Nachbau des Berliner Schlosses in Berlin, oder auch zwischen Wissenschaftlern und Verantwortlichen von verschiedensten Museen.
Eine Diskussion in dieser Richtung ist aber keine neue Erfindung, sondern wird immer wieder einmal seit den 60igern des vorigen Jahrhunderts geführt. Dabei tritt nach meiner Auffassung sehr häufig die Thematik der kolonialen Herrschaft der verschiedenen Länder in den Vordergrund. Für mich stellte sich bei der Lektüre von verschiedenen Fachartikeln, dem Besuch der Ausstellung „RESIST! Die Kunst des Widerstands“ im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln und meinen eigenen Gedanken dazu die Frage – wem gehört eigentlich die Vergangenheit?
Hier der Link zur Ausstellung im Rautenstrau-Joest Museum Resist – die Kunst des Widerstands
Aus dieser Problematik entwickelte sich natürlich auch die Fragestellung: wem gehören die Kulturgüter in Asien? Hierbei beobachtet man ja seit langer Zeit die Auseinandersetzung zwischen Kambodscha und Thailand über die Kunstgüter einer gemeinsamen Geschichte. Natürlich betrifft dies auch sehr viele der Ausstellungsstücke aus Asien in den deutschen Museen.
Was sind eigentlich Kulturgüter?
Kulturgüter sind bewegliche oder unbewegliche Güter, die für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung sind, ohne Rücksicht auf Herkunft und Eigentumsverhältnisse (z. B. Bau-, Kunst-, Geschichtsdenkmäler religiöser und weltlicher Art, Kunstwerke und Kultstätten, Gebäudegruppen von historischem oder künstlerischem Interesse, archäologische Stätten und Sammlungen, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher)
Die „Benin-Bronzen“ – das große Beispiel von Restitution
Entstanden sind die ersten „Benin-Bronzen“ im frühen 16. Jahrhundert n. Chr. am Hofe des Oba, des politischen und rituellen Oberhaupts der Stadt Benin und dem historischen Königreich Benin. Dies ist der Zeitraum, in dem die Portugiesen gefolgt von den Spaniern, den Holländern, Engländern und Franzosen erste Kontakte mit Siam, dem heutigen Thailand, und dem damaligen König, aufnahmen. Dies nur als Einordnung, um die auch in dem heutigen Thailand bestehenden Kunst- und Kulturgüter zu verdeutlichen.
Doch wem gehören diese Bronzen denn nun? Die Geschichte im Hintergrund – am 18. Februar 1897 wurde von britischen Truppen der Königspalast vom Königtum Benin eingenommen, geplündert und niedergebrannt. Ungefähr 3500 bis 4000 Kunstwerke aus Bronze, Elfenbein und Holz wurden als Kriegsbeute und als Refinanzierung des Krieges nach London gebracht. Dort wurden viele der Kunstwerke versteigert und auch durch amerikanische und deutsche Museen erworben und bezahlt. Hier beginnt nun die eigentliche Diskussion um eine mögliche Restitution.
Dazu hier ein Bericht über eine mögliche Rückgabe der Ausstellungsstücke Benin-Bronzen Rückgabe 2022 – ein Bericht der Deutschen Welle
Ab September 2021 werden die Bronzen dann im Humboldt-Forum zu sehen sein.
Wenn man es so betrachtet könnte es ja weltweit eine riesige Welle der Rückforderung aus den Museen der ganzen Welt geben, die einst in kriegerischen Konflikten verschleppt oder einbehalten wurden. Auch private Sammler wären von dieser Rückforderungswelle betroffen.
Dass dieses Problem von weltweiter Tragweite ist zeigt die Diskussion um den Verbleib der Büste der Nofretete in Berlin! Hier ein Bericht von der Zeitung „der Tagesspiegel“ über diese Diskussion aus dem Jahre 2009 – Wem gehört die berühmte Büste der Nofretete?
Auch das Wissenschaftsmagazin „Damals“ hatte einen ausführlichen Beitrag zu diesem Thema. Diesen Beitrag findet Ihr hier: https://www.wissenschaft.de/geschichte-archaeologie/wem-gehoert-nofretete/
Für uns Deutsche ist natürlich auch der 2. Weltkrieg ein Thema, welches mit der Restitution zu tun hat und das gleich mit zwei Seiten der Betrachtung.
Der Schatz des Priamos
Selbst Schliemann brachte den „Schatz des Priamos“ nach der Entdeckung illegal nach Berlin. Heinrich Schliemann schilderte die Bergung des Schatzes mit folgenden Worten: „Die Fortschaffung des Schatzes wäre mir aber ohne die Hilfe meiner lieben Frau unmöglich gewesen, die immer bereit stand, die von mir herausgeschnittenen Gegenstände in ihren Schal zu packen und fortzutragen“.
Weiter wird geschildert: Schliemann barg den Schatz ganz alleine, „weniger um ihn vor der Habsucht meiner Arbeiter zu entziehen und ihn für die Wissenschaft zu retten“, nein, für ihn stand von Anfang an fest, er wollte den Schatz für sich alleine haben. ( Zitate aus dem Buch von Philipp Vandenberg – Der Schatz des Priamos) Der Schatz gelangte nach Berlin und Schliemann schenkte den Schatz 1881 dem Deutschen Volk. Der Schatz wurde ab 1885 im Berliner Völkerkundemuseum, dem heutigen Museum für Vor- und Frühgeschichte, ausgestellt. Durch die Niederlage im 2. Weltkrieg wurde der Schatz von russischen Soldaten nach Russland gebracht. Dort wurde erst im Jahr 1993 der Besitz bestätigt. Heute sind Teile in der Eremitage in St. Petersburg ausgestellt.
Deutsche Forderungen an Russland zur Restitution des Schatzes des Priamus
Deutschland bat die russische Regierung wiederholt im Rahmen der Restitution um die Rückgabe des Schatzes. Von Russland wurde dies stets abgelehnt, es handele sich um eine Entschädigung für die Kriegsschäden, die durch Deutschland verursacht wurden.
Auf der anderen Seite steht die heutige Türkei, auf deren Gebiet der Schatz zu Zeiten des Osmanischen Reiches gefunden wurde. Wer ist also nun der rechtmäßige Besitzer?
Wie sieht es rechtlich um eine mögliche Rückforderung aus?
Wenn man also das Aneignen oder auch das Finden von Kulturgütern als Diebstahl ansieht, dann schützt der Gesetzgeber in Deutschland den Bestohlenen, indem er den Eigentumserwerb von gestohlenen Gegenständen regelt. § 935 des Bürgerlichen Gesetzbuches besagt, dass der Eigentumserwerb dieser Gegenstände generell nicht möglich ist. In solchen Fällen drohen strafrechtliche Konsequenzen und eine Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft. Doch wie sieht es nun bei Kunstraub oder bei Diebstahl während Kriegshandlungen im internationalen Völkerrecht aus?
Am 25. Februar 2010 ist das zweite Protokoll zur Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Hier werden die Definitionen festgelegt, die die Fragen beantworten, was unter Kunstraub zu verstehen ist, wie ist die Bekämpfung von Kunstraub international zu regeln.
Wer sich näher mit dem Thema Völkerrecht in bewaffneten Konflikten beschäftigen möchte findet in dem Link des Bundesministerium wertvolle Hinweise.
Ein ganz spezieller Punkt – Skelett und Mumienfunde
Dies ist für mich eines der heikelsten Punkte bei der Betrachtung der Restitution! Hier spielt wie bei der ganzheitlichen Betrachtung von möglichen Restitutionen die Ethik eine ganz besondere Rolle. Betrachtet man den Skelett- oder Mumienfund als Menschen mit einer Seele oder als reine Sache? Eine Hülle aus totem Gewebe, dem der Aufenthaltsort schlicht und ergreifend egal ist?
Wenn der Körper ohne die entsprechenden Religionen und deren Glauben an ein Leben nach dem Tod betrachtet wird, ist er eigentlich als Sache zu betrachten und ist genauso wie alle anderen Gegenstände zu behandeln.
Was aber geschieht, wenn eine Religion oder der Glaube einer Kultur in die Diskussion um eine mögliche Restitution mit einhergeht. Wie spielen dann auch noch die Glaubensrichtungen von vergangenen Religionen oder Kulturen mit in eine zu treffende Entscheidung? Als Beispiel möchte ich hier die Mumienfunde der Inka, die Mumien aus Ägypten oder den berühmten Ötzi aus Östereich (oder doch aus Italien?) darstellen.
Wann verfällt ein Anspruch auf Restitution?
Die Ansprüche auf Restitution sind natürlich auch gesetzlich geregelt! Restitutionsansprüche, die bestandskräftig festgestellt wurden, verjähren nach 30 Jahren. Für nicht Juristen: der Anspruch auch an anerkannten Kunstgütern und Kulturgütern verfällt nach einer Zeit von 30 Jahren, wenn er juristisch anerkannt wurde und kein Widerspruch in der Einspruchsfrist getätigt wurde.
Was bedeutet dieses für die heutigen Diskussionen?
Hierbei möchte ich als Erstes feststellen – ich bin kein Volljurist und so sind die rechtlichen Beurteilungen und Aussagen ohne Gewähr.
Nach meinem Dafürhalten sind viele der Forderungen auf Restitution unberechtigt und durch die Verjährungszeit auch hinfällig.
Schlusswort zum Thema Restitution – wem gehört die Geschichte
Für mich ist diese Frage recht einfach zu beantworten! Die Geschichte kann niemandem gehören, da sie ein unveränderliches Geschehen darstellt. Daher begründet sich auch meine Annahme, dass fast alle Forderungen als unbegründet anzusehen sind und eine Rückgabe oder erst recht eine finanzielle Entschädigung für solche Ansprüche nicht gewährt werden sollen – um auch keine Präzedenzfälle zu schaffen.
Unschlüssig bin ich jedoch bei der Thematik um die Funde von menschlichen Überresten. Für mich sind Glaubensfragen immer ein möglicher Sprengstoff, der immer eine Seite oder eine Glaubensrichtung diskriminiert.
Als Schlusswort zu meiner aufgegriffenen Thematik kann ich nur feststellen: es wird keine allgemein gültige Antwort auf die komplexen Vorgängen von Forderungen und Restitution geben. Für mich ist auch dies nicht notwendig, da die Geschichte niemandem gehört!
Geschichte ist für mich ein allumfassender Fluß von Ereignissen, der nicht einfach umzukehren ist! Solche Diskussionen dienen immer wieder nur einigen Wenigen, die daraus wieder Kapital schlagen wollen! Ganz unabhängig gehört dazu auch die Betrachtung, ob Länder, die auf Restitution Anspruch erheben, überhaupt in der Lage sind einen Schutz und eine wissenschaftliche Betreuung von den zurückzuführenden Stücken leisten zu können.
Ich freue mich sehr, wenn dieses Thema in dem Kommentarbereich sachlich, kontrovers, aber immer respektvoll und friedlich geführt wird.
Euer Reiner
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Vielen Dank, Euer Reiner
Ich bin immer ganz hin und hergerissen. Gibt man die Sachen zurück oder nicht? Einiges würde nicht mehr existieren, hätte es nicht in europäischen Museen gestanden. Doch man muss auch an die vielen Millionen Stücke denken, die in den Archiven der Museen vor sich hinrotten.
Hallo Ulrike,
ich kann Dich und den Gedanken um die Museumsstücke die in einem Depo nicht der Öffendlichkeit zugänglich sind sehr gut verstehen. doch bitte vergesse nicht wieviele Wissenschaftler unbemerkt diese Quellen nutzen um weitere Zusammenhänge zu verstehen. Ich sehe auch hier keine allumfassende Lösung!
Liebe Grüße
Reiner